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Zur Parkgestaltung


Drei Exkursionen:

Bildkompositionen
A. H. Payne - 1840er Jahre


Im Weitwinkel
G. Kobold, Serie um 1800


Panorama Wilhelmshöhe
Postkarte 1907




Sechs Varianten des Blicks von der Schlossterrasse über die Fontäne hoch zum Herkules

Die
Haupt-Achse (Herkulesachse) der Parkgestaltung steht im Mittelpunkt. Diese vier Fotos sind Momentaufnahmen. Die zwei weiter unten eingefügten Bilder sind bearbeitete Ansichten.

Ausgangspunkt für diese Zusammenstellung ist das Foto oben rechts. Die Untersuchung weiterer fünf Objekte hier soll die tiefe Beschreibung der Postkartenansicht "Panorama von Wilhelmshöhe" mehr als abrunden. Bilder in diesem Blickwinkel sind das mit am häufigsten gesuchte Motiv für Ansichten auf Postkarten. Nicht allein, weil die zentrale Achse im Mittelpunkt steht. Eine erste Betrachtung der fünf Abbildungen lässt vermuten, dass im Blick hoch zum Herkules auch andere Achsen wahrgenommen werden können. Das würde das jeweils individuelle Konzept der Wahrnehmung und Interpretation des Bergparks beeinflussen.

Die folgenden Betrachtungen und Analysen nehmen diese Vermutung auf und suchen nach gemeinsamen Ideen, wiederkehrenden Mustern und Bildformeln, nach Abweichungen, Unstimmigkeiten und Unterschieden.

Das Bild links oben irritiert zunächst. Geht es dem Fotografen um die Herkulesachse oder um die Besucher, die zu den Barocken Kaskaden hochschauen und anscheinend auf den Beginn der Wasserspiele warten? Oder interessiert ihn die im Foto erfasste Struktur der Parkgestaltung?
Drei horizontale Linien durchbrechen den Gesamteindruck: Erstens die Mittelachse der Plutogrotte entlang, zweitens das Durchbrechen der senkrechten Achse durch die horizontale Linie vor dem Fontänenteich. Drittens, die Szenerie vor dem breiten Weg an der Schlosstreppe lenkt von der Konzentration auf die beeindruckende Schneise hoch zum Oktogon ab.

Der Weg im Vordergrund durchschneidet die Fotografie wie ein helles, breites Band. Die große Kugel mit dem Relief der Erdteile fällt auf. Sie bildet einen Kontrapunkt zu den Personen, die sich zwischen Weg und unterster Stufe der Schlosstreppe positioniert haben. Fast alle schauen der Achse folgend zum Herkules hoch. Die Dreiergruppe vorne am Rand bilden zwei Frauen und ein Mann. Die Frau links im hellen Mantel hakt sich bei der Frau daneben ein. Beide tragen Hüte. Der Mann, mit einem Schritt Abstand daneben, hört zu. Oder, er bemerkt etwas und deshalb wenden die Frauen den Kopf hin zum Sprecher. Der Herr steht lässig, abwartend, das deutet das linke leicht gebeugte Spielbein an. Er dreht uns den Rücken zu, die Hände halten die nach hinten gedrückten Arme. Weiter rechts blickt ein Mann mit Rucksack leicht Richtung Gewächshaus, er scheint etwas zu beobachten. Auf der steinernen Bank in der unteren Bildmitte sitzen mit Abstand eine Frau und ein am rechten Rand ein Mann. Dieser stützt mit einer Hand ein Kind, das dicht neben ihn gerückt ist. Die Bank hat keine Lehne. Die drei betrachten das Landschaftsbild vor ihnen, ebenso wie die beiden Herren auf zwei Holzbänken rechts daneben. Der eine stützt den linken Arm auf die Rückenlehne, der andere hat den Kopf leicht gesenkt. Vielleicht schaut er in einen Reiseführer. Dicht hinter einer Frau im dunklen Kurzmantel steht ein Herr im hellen Anzug, beide in einer Wartehaltung. Sie hält den linken Arm nach vorn, der andere ist nicht zu erkennen, weil der Mann sich dicht dahinter gestellt hat. Er drückt beide Arme nach hinten, die linke Hand fasst den rechten Unteram und gibt der Stellung einen Halt.

Diese Szenerie beeinflusst den Bildeindruck entscheidend. Die Gräutöne heben die verschiedenen Bildsegmente hervor. Das Herkulesmonument verliert im Gewirr der Gehölze an Kontur. Es erscheint wie ein hoher, steinerner Block. Dagegen die Stimmung entlang der Linie vor der Schlosstreppe mit der vom Fotokünstler erfassten Platzierung der Zuschauer im Habitus eines Verweilens, Betrachtens und Wartens. Die Postkarte ist 1957 abgestempelt. Der Park lädt ein, die Besucher lassen das Corps de Logis im Hintergrund, den von Bomben getroffenen und ausgebrannten Mitteltrakt des Schlosses. Die Kleidung und die Form des Rucksacks beim Herrn rechts deuten darauf hin, dass das Foto bereits in den frühen 1950er Jahren aufgenommen und vielleicht mehrfach für den Druck von Postkarten benutzt wurde. Käufer können sich mit der Szenerie, dem Abwarten, dem großen Rucksack identifizieren.


Mein Farbfoto darunter aus dem Jahr 2019 ist dreigeteilt. In der Bildmitte, auf dem Bowlinggreen, positioniert es zahlreiche Personen, die zwischen Broderie und Hang verweilen, umhergehen, sich unterhalten. Die Anlage insgesamt und die Konstruktion von Achse und Diagonale sind für sie Kulisse, einfach ein schöner Ort, um spazieren zu gehen, sich zu treffen, den Hund auszuführen. Von dieser dabei beiläufig wahrgenommenen Umgebung hebt sich in der Bildkonstruktion die Broderie ab. Fast das halbe Bild einnehmend bringen die so vielschichtig und akkurat angelegten Beete im Vordergrund den Kontrast barocker Festlichkeit ins Spiel. Der Landschaftsgarten, die Achse und auch das Herkulesmonument mit den barocken Kaskaden verlieren sich im Hintergrund.


Oben rechts, das Schwarz-Weiß-Foto "Panorama von Wilhelmshöhe" ist die Ansicht auf einer Postkarte, die 1907 von Cassel aus an eine Frau in Holland geschickt wurde. Ich untersuche das Bild im Verfahren einer tiefen Beschreibung. Die Einleitung dazu: Irgendwie zieht die Fotografie unseren Blick in die Bildmitte hinein und hoch zum Herkules. Die Flächen in der unteren Bildhälfte erzeugen Weite, die sich durch die gestuften Grautöne im Baumbestand auflöst. Oben in der Mitte bleibt die Achse im helleren Grau frei. Die Personen erscheinen wie "vor die Landschaft gesetzt". Hat der Foto-Künstler nachbearbeitet, um durch verstärkte hell-dunkel Kontraste das "Gemälde" zu unterteilen? Das spielt dem ausgesuchten Blickwinkel zu, der drei Ebenen erzeugt. Mehr


Das Panorama rechts unten ist eine Weitwinkelaufnahme, mein Foto aus dem Jahr 2018. Mir geht es um die Herbststimmung und die Größe des Parks. Um die Weite zu betonen steckt in der Konstruktion die Aufforderung, von der Kugel unten links nach rechts oben zu schauen. Die Mittelache erscheint als Verlängerung des Bowlinggreens hoch zum Herkules. Kommt dabei nicht zugleich eine Diagonale in den Blick, Kugel - zwei Bänke - zwei Kleinarchitekturen? Die zwei weiß strahlenden Bänke unterhalb der gepflasterten Schlossauffahrt sind der Gegenpart zu den beiden hell aus dem Grün hervorleuchtenden Kleinarchitekturen. Die ebenfalls weiß leuchtende Linie in der Bildmitte mit den fünf Bänken am Weg vor dem Fontänenteich, trennt einerseits Bowlinggreen und Mittelachse, andererseits lenkt sie aber den Blick nach oben. In dieser Perspektivierung geht die Wahrnehmung der Herbststimmung nicht verloren. Sie passt zum intendierten Gesamteindruck, erzeugt Weite. Die Ausdehnung, die Dimensionen des Bergparks werden zusammen mit den Details sichtbar, die die Gestaltung des Bergparks so einzigartig machen.

Schauen wir uns noch die zwei anderen Panorama-Bilder an. Wiederum vermitteln Details der Perspektivierung den jeweiligen Bildeindruck.

Der Druck rechts ist eine handkolorierte Lithografie, mit der Zeichnung des Kasseler Künstlers Ed. Primavesi aus dem Jahr 1800 als Vorlage. Den Abzug gibt der Verlag Geeb & Reusch heraus. Fritz Lometsch hat diesen in seine Sammlung "Kassel und Wilhelmshöhe in alten Stichen und Lithografien" aufgenommen, Arche Verlag, Kassel o. J... Mein Scan hier zeigt ein Souvenirblatt, also ein Verkaufsobjekt.
Vom eigenwilligen Standort aus nimmt der Künstler die Achse nicht mittig in den Blick, sondern betrachtet links vom Rand des Bowlinggreens aus das Ereignis der Großen Fontäne und der Fontänen unterhalb des Herkules. Beide Wasserbilder ereignen sich nicht gleichzeitig und der Wassersturz vom Aquädukt klingt ab, wenn die Große Fontäne aufsteigt. Alles unwichtig für den Künstler. Er liefert ein Idealbild ab, das mehrere vom Bowlinggreen aus sichtbare Höhepunkte zusammen in einer Anschauung verbindet.
Steckt in dieser Ausrichtung vom Rand des Grüns aus nicht die Aufforderung an Besucher, die Gestaltung des Bergparks sowohl in Details als auch in der Gesamt- Komposition wahrzunehmen?
Der breite Weg nach rechts hoch zum Aquädukt irritiert. Die Figurinen schauen zur Fontäne und hoch zu den barocken Wasserspielen. Ihr Blick folgt der zentralen Mittelachse. Sind die Betrachter des Stiches aber nicht zugleich aufgefordert, dem im Bogen in den Bergpark hinein führenden Weg zu folgen? Der Künstler lädt dazu ein, dabei die Sicht-Achse wahrzunehmen, die entlang der Peneus-Kaskaden, also zwischen Apollontempel und Halle des Sokrates hoch zum Aquädukt führt und in Fortsetzung der Linie sogar den Merkurtempel erreicht.

Auch die Ansicht auf der Postkarte daneben bewertet die Sichtachsen-Frage speziell, denn sie konzentriert unseren Blick auf die Mittelachse im Focus der barocken Kaskade weit oben links im Bild. Die Bildbotschaft: Dieses hell leuchtende Ereignis in Augenschein zu nehmen, ist die Motivation für die Besucher des Bergparks.
Die Postkarte aus dem Jahr 1918 ist untertitelt mit: Blick von der Schlossterrasse nach dem Herkules. In die bearbeitete und nachkolorierte Fotografie ist das Bild eines Wach-Soldaten einmontiert. In der Mitte unten vor der Broderie, perspektivisch etwas zu klein geraten, präsentiert er stolz die preußische Uniform mit der Pickelhaube. Er schaut zu uns, verstärkt dabei aber zugleich unsere Irritation.
Was stimmt in der Darstellung nicht?
Die so üppig springenden Wasser der barocken Kaskade unterhalb des so wuchtigen Kastens verwirren, zwei Fontänen schießen zeitgleich in die Höhe, einmal die unterhalb des Oktogons aus dem Artischockenbassin und dann der Strahl vom Riesenkopfplateau aus, die Fontäne des Encelados. Die Wasser fließen im selben Moment auch den Kaskaden entlang hinunter zum Neptunbassin. Dieses Szenarium erscheint real so aber nie, denn die drei Wasserbilder folgen zeitversetzt aufeinander.
Eigenwillig ist ebenso der Eindruck, den die ins Foto eingezeichnete Anordnung der beiden Fontänen zusammen mit der Pyramide und der Herkulesstatue erzeugt. Die hellweiß strahlende Farbgebung erzeugt das Bild von drei Pyramiden übereinander. Zur Herkulespyramide gesellen sich die zwei Pyramiden im Wasserbild der Fontänen.
Das weckt die Aufmerksamkeit der Betrachter. Legt der Künstler diese Bildwirkung nicht unten im "Gemälde" der nachkolorierten Schwarz-Weiß-Aufnahme an, durch den starken Farbauftrag am Bowlinggreen und entlang der Bosketts. Erst dadurch kann sich die weiß schimmernde Kaskadenanlage so deutlich abheben. Die Bäume, das Gras, alles ist abgestuft koloriert und dunkel gehalten. Dadurch leuchten auch die Halle des Sokrates und der Apollontempel so klar als weiße Objekte hervor. Das zusammen erzeugt eine Diagonale von rechts unten nach links oben. Zu dieser eigenwilligen Interpretation passt die Bildbearbeitung des Herkulesmonuments. Dieses ragt hinter den Fontänen wuchtig empor. Es erscheint in der farbig so stark abgesetzten Kolorierung des Baumbestandes geradezu monumental.
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