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Zur Parkgestaltung


Drei Exkursionen:

Bildkompositionen
A. H. Payne - 1840er Jahre


Im Weitwinkel
G. Kobold, Serie um 1800


Panorama Wilhelmshöhe
Postkarte 1907




Varianten des Blicks von der Schlossterrasse über die Fontäne hoch zum Herkules

Die
zentrale Achse der Parkgestaltung steht im Mittelpunkt. Die beiden Fotos links sind Momentaufnahmen.

Das obere erfasst Besucher. Fast alle schauen der Achse folgend zum Herkules hoch, drei Personen reden dabei miteinander. Ein Herr mit Rucksack schaut nach rechts Richtung Gewächshaus. Auf der steinernen Bank sitzen eine Frau und ein Mann, neben sich ein Kind, das er mit einer Hand stützt. Die Bank hat keine Lehne. Die drei betrachten das Landschaftsbild vor ihnen, ebenso wie die beiden Herren auf den Holzbänken. Dicht hinter einer Frau im dunklen langen Mantel steht ein Herr im hellen Anzug, ebenfalls die Arme im Rücken und von den Händen gehalten. In dieser Szenerie ist ein Stimmungsbild eingefangen.
Die Gräutöne heben die verschiedenen Bildsegmente hervor. Das Herkulesmonument verliert im Gewirr der Gehölze an Kontur. Es erscheint wie ein hoher, steinerner Block. Dagegen die klare Szenerie entlang der Linie vor der Schlosstreppe mit der vom Fotokünstler erfassten Platzierung der Zuschauer im Habitus eines Verweilens und Betrachtens, ein Zwischenstopp beim Spazierengehen und einem kurzen Innehalten.
Die Postkarte ist 1957 abgestempelt. Der Park lädt ein, die Besucher lassen das Corps de Logis im Hintergrund, den von Bomben getroffenen und ausgebrannten Mitteltrakt des Schlosses. Die Kleidung und die Form des Rucksackes beim Herrn rechts deuten darauf hin, dass das Foto bereits in den frühen 1950er Jahren aufgenommen wurde. Nachkriegszeit.

Das Farbfoto darunter aus dem Jahr 2006 ist dreigeteilt. In der Bildmitte positioniert es zahlreiche Personen auf dem Bowlinggreen, die zwischen Broderie und Hang verweilen, umhergehen, sich unterhalten. Die Anlage insgesamt und die Konstruktion von Achse und Diagonale sind für sie Kulisse, einfach ein schöner Ort, um spazieren zu gehen, sich zu treffen, den Hund auszuführen. Von dieser dabei beiläufig wahrgenommenen Umgebung hebt sich in der Bildkonstruktion die Broderie ab. Fast das halbe Bild einnehmend bringen die so vielschichtig und akkurat angelegten Beete im Vordergrund den Kontrast barocker Festlichkeit ins Spiel. Der Landschaftsgarten, die Achse und auch das Herkulesmonument mit den barocken Kaskaden verlieren sich im Hintergrund.

Das Panorama rechts daneben ist eine Weitwinkelaufnahme, bei der es um die Herbststimmung geht. Die Kugel wird betont, zusammen mit den zwei weiß strahlenden Bänken unterhalb der gepflasterten Schlossauffahrt trägt diese Perspektivierung nicht nur zur Stimmung bei, sondern erzeugt Weite, macht die Ausdehnung, die Dimensionen des Bergparks sichtbar. Die weißen Bänke sind der Gegenpart zu den beiden hell aus dem Grün hervorleuchtenden Kleinarchitekturen.

Aus einem anderen Grund ist der Druck unten rechts interessant. In der handkolorierten Lithografie ist die Zeichnung des Kasseler Künstlers Ed. Primavesi aus dem Jahr 1800 die Vorlage. Den Abzug gibt der Verlag Geeb & Reusch heraus. Fritz Lometsch hat diesen in seine Sammlung "Kassel und Wilhelmshöhe in alten Stichen und Lithografien" aufgenommen, Arche Verlag, Kassel o. J...
Der Scan hier zeigt ein Souvenirblatt, also ein Verkaufsobjekt. Vom eigenwilligen Standort aus nimmt der Künstler die Achse nicht mittig in den Blick, sondern betrachtet links oben vom Rand des Bowlinggreen aus das Ereignis der Großen Fontäne und der Fontänen unterhalb des Herkules. Beide Wasserbilder ereignen sich nicht gleichzeitig und der Wassersturz vom Aquädukt klingt ab, wenn die Große Fontäne aufsteigt. Alles unwichtig für den Künstler. Er liefert ein Idealbild ab, das mehrere vom Bowlinggreen aus sichtbare Höhepunkte festhält.
Zugleich, steckt in dieser Ausrichtung vom Rand des Grüns aus nicht die Aufforderung an Besucher, die Gestaltung des Bergparks sowohl in Details als auch in der Gesamt- Komposition wahrzunehmen? Ist deshalb der Weg hoch zum Aquädukt so breit angelegt? Es geht ihm wahrscheinlich um die Sicht-Achse, die entlang der Peneus-Kaskaden, also zwischen Apollontempel und Halle des Sokrates hoch zum Aquädukt führt und in Fortsetzung dieser Linie sogar weiter zum Merkurtempel.

Auch die Ansicht auf der Postkarte daneben bewertet die Sichtachse speziell, denn sie fokussiert die barocke Kaskade weit oben links im Bild als eigenwillig hell leuchtendes Ereignis. Die Postkarte aus dem Jahr 1918 ist untertitelt mit: Blick von der Schlossterrasse nach dem Herkules.
In die bearbeitete und nachkolorierte Fotografie ist das Bild eines Wach-Soldaten einmontiert. In der Mitte unten vor der Broderie, perspektivisch etwas zu klein geraten, präsentiert er stolz die preußische Uniform mit der Pickelhaube. Er schaut zu uns, verstärkt damit aber zugleich unsere Irritation. Was stimmt da schräg oben nicht?
Die so üppig springenden Wasser der barocken Kaskade unterhalb des so wuchtigen Kastens verwirren, ebenso die im Bild festgehaltene Anordnung von zwei Pyramiden übereinander. Zwei Fontänen schießen gleichzeitig in die Höhe, einmal die unterhalb des Oktogons aus dem Artischokkenbassin und dann der Strahl vom Riesenkopfplateau aus, die Fontäne des Encelados. Die Wasser fließen zeitgleich auch den Kaskaden entlang hinunter. Dieses Szenarium erscheint real so aber nie, denn die drei Wasserbilder folgen zeitversetzt aufeinander.
Die Bildwirkung legt der Künstler unten im "Gemälde" der nachkolorierten Schwarz-Weiß-Aufnahme an, durch den starken Farbauftrag am Bowlinggreen und entlang der Bosketts. Erst dadurch kann sich die weiß schimmernde Kaskadenanlage so deutlich abheben. Die Bäume, das Gras, alles ist vielschichtig koloriert und dunkel gehalten. Dadurch leuchten auch die Halle des Sokrates und der Apollontempel klar als weiße Objekte hervor. Das zusammen erzeugt eine Diagonale von rechts unten nach links oben. Zu dieser eigenwilligen Interpretation passt die Bildbearbeitung des Herkulesmonuments. Dieses ragt hinter den Fontänen wuchtig empor. Es ist vergrößert einmontiert.
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