Es lohnt sich, diese aquarellierte Zeichnung von ... Kobold genauer zu betrachten. Zunächst die Vedute. Ungewöhnlich, ja neu für die Zeit ist die Perspektive. Es ist nicht die Sicht von einem Hügel auf die Stadtkulisse, wie zahlreiche von Reisenden und Besuchern als Souvenir nachgefragte Veduten aufgebaut sind. Die Front der Gebäude, über der Orangerie-Anlage platziert, wirken eher als Staffage, also als Beiwerk, um das eigentlich festgehaltene Geschehen zu betonen und zugleich der Tradition zu folgen. Die Tradition ist also umgekehrt, denn in den klassischen Veduten sind die
Personen als Staffage aufgenommen, um beim Betrachter Eindrücke zu forcieren.
Kobold hat die Karikatur ... Das Aquarell hier - 1789! - sentimental, romantisch - hoch politisch:
Am Baum steht ein wohl gekleideter Herr, in das Lesen eines Buches vertieft. Er bemerkt die von rechts kommende Kutsche nicht. Der Vorläufer eilt vor und kündet die Vorbeifahrt des Fürsten an. Ein äüffällig gekleideten Reiter hat Kobold in das Bild geschoben. Es geht nicht darum, ob die Kutsche mit dem nur der Landgrafenfamilie vorbehaltenen Gespann von sechs Pferden folgt oder ob es ein Mitglied der fürstlichen Familie ist, das in Begleitung vom Spazier-Ritt zurückkommt. An den Bildrand gezeichnet, aber doch als Blickzentrum dargestellt, ignoriert der lesende junge Mann die fürstliche Szenerie. Kobold unterstreicht das noch, indem er einen imposanten Baum zwischen verweilenden Spaziergänger und Reitern in Prachtkleidung einschiebt.
Oder drückt der Baum eine ganz andere Bedeutung aus? Lesender Bürger und adliger Reiter sind durch ein Natur-Symbol getrennt...