S p a z i e r e n - P r i v i l e g o d e r M ü ß i g g a n g .. .2/2.. zurück
Gutbürgerlich? Wer kann sich ein "Spazieren gehen" beispielsweise 1780. 1820 oder in den 1870er Jahren schon leisten
und wer kann das von der Zeit für das Verdienen des Lebensunterhalts abzweigen?
Tagelöhner, die im Handwerk beschäftigten oder die in Haushalten angestellten, die Dienstboten und Knechte - für diese "einfachen" Leute bleibt täglich kaum Zeit. Erst recht gilt das für die stetig wachsende Zahl von Lohnarbeitern in der Industrie ab Mitte des Jahrhunderts mit einer Arbeitszeit von 12 Stunden täglich, am Samstag mit 6. Hinzukommt der oft weite Weg zur Arbeit, zu Fuß.
Da bleibt nur der "freie" Sonntag. Zeit für einen Sonntagsspaziergang mit der Familie?
Nicht zu vergessen sind die um 1800 annähernd noch 20 Kasseler Acker"bürger". Für die Angehörigen und die Mägde und Knechte ist das Hinausgehen Arbeit! Jemand aus Familie und Haushalt muss täglich zu den Gärten draußen vor der Stadt, auf die Felder, zu den Wiesen, wenn das Federvieh und die Tiere hinauszuführen sind. Und diese müssen (!) abends wieder zurück in die Ställe geholt werden.
Für alle diese Schichten bedeutet es schon etwas Teilhabe am Aufbruch in eine neue Zeit, wenn die großen Plätze oder gar der frei gegebene Fürstenpark (Karls-Aue) für ein, zwei Stunden aufgesucht werden können.
Nur für den Sonntagsspaziergang. An anderen Tagen wäre das Müßiggang!
in Arbeit