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Zur Parkgestaltung

Drei Exkursionen:

Bildkompositionen
A. H. Payne - 1840/1850

> Bildbetrachtung
. 1, 2, 3, 4
> Allerlei Payne's
> Eine ungehörige Szenerie

Im Weitwinkel
G. Kobold, Serie um 1800


Panorama Wilhelmshöhe
Postkarte 1907





Wir erfassen Bürgersleute in einem beinahe lässigen Auftreten. Die Inszenierungen im Park scheinen eher nicht der Anlass für den Parkbesuch zu sein. Wollen sie vorrangig ihren Spaziergang und ein Zusammentreffen mit Bekannten genießen und die große Fontäne mit dem breiten Weg davor ist einfach ein geeigneter Ort dafür?

Im vergrößerten Ausschnitt des Digitalisats fällt auf, dass die Kleidung und vor allem das Gesicht der Figurinen beinahe flüchtig mit dem Grabstichel auf die Kupferplatte aufgetragen wurden. Das passt eigentlich nicht zu den filigranen Stichen für die springenen Wasser des Fontänenbildes oder für die Darstellung der Gehölze, des Tholos und ebenso des Herkulesmonuments mit den barocken Kaskaden.
Oder doch? Es lässt sich nicht nachweisen, ob Payne hier bewusst oder intuitiv mit diesem Gegensatz den Gesamteindruck verändern wollte. Allerdings, diese Korrekturen passen in das Denken der Umbruchszeit um 1850. Wie zu zeigen sein wird, forciert Payne ebenso in einem Stich zur Teufelsbrücke unseren Eindruck von flüchtig und durcheinander, von Vielordnung und einer Dopplung von Bewundern und Event.
Die Bildbetrachtung dazu ist hier im Kapitel mit "Eine ungehörige Szenerie" betitelt.

Die Kopfbedeckung der Damen ist das eindeutige Indiz dafür, dass A. H. Payne gezielt eine Veränderung der Bildkomposition geht. Das ist an der Umgestaltung der Figuration der Personen insgesamt zu erkennen und betrifft ebenso die Darstellung der Personen bezogen auf Kleidung und Körperhaltung.
Die Frau im Vordergrund wendet uns Betrachtern den Kopf zu. Wir schauen auf ihr Gesicht, das vom Rand der Kopfbedeckung nicht verdeckt wird. Die Form der Schute hat sich verändert, der Schirm ist nach außen gebogen, lässt sogar den Haaransatz erkennen. Die Bänder der Schleife flattern am Hals entlang hin zur Schulter. Die Pelerine rahmt den Ausschnitt des Kleides ein, statt diesen zu verdecken. Auch bei den anderen Damen fällt auf, wie sie den Schal nutzen, wie dieser lässig hängt und die untere Schulterpartie bedeckt. Dazu passt eine weitere Neuerung, zum modischen Kleiden gehört jetzt der Keulenärmel, ein aufschlussreiches Detail, denn so bleiben die Unterarme frei. Die Frau im Vordergrund betont das durch das längs gefaltete Tuch am Unterarm, dass sie locker fallen lässt.

Ihr Habitus drückt eine Aufforderung aus. "Kommt hinzu, trefft euch doch auch einmal hier an der Fontäne!". Eher ungewöhlich für Grafiken aus der Zeit ist es, wenn Künstler in einer solchen Szenerie zugleich ein Moment der Ruhe einbauen. Der Hund hinter der Frau hat sich auf die Seite gelegt und schaut zu uns herüber. Das steht nöch stärker im Kontrast zur Bewegung der Frau, sie hält einen Jungen davon ab, zum Teichrand zu gehen. Dieser zieht an ihrer Hand. Beide Personen sind nach vorn geneigt, etwas ebenso der Herr, den sie am Oberarm festhält.

A. H. Payne zeigt ein besonderes Gespür für in den Zeitgeist passende Konstellationen, also die Figuration und den Habitus von Personengruppen. Für diese Einschätzung spricht eine weitere Beobachtung. Der Zeichner hat drei andere Paare leicht nach vorn geneigt dargestellt, die beiden Damen links im Bild, das eng beisammen stehende Paar am Teichrand sowie ein Paar daneben, fast verdeckt von einer Gruppe. Diese erfassen wir erst auf den zweiten Blick, weil alle Personen hier ungewöhnlich dicht beieinander stehen. In der Vergrößerung der Grafik sind zwei Paare in einer Handlung vertieft zu erkennen, die vier Figurinen stellen eine eigene Szenerie dar: begrüßen, verneigen, angeregt miteinander reden. Sich zu unterhalten ist ebenso den beiden Herren wichtig, die der Zeichner an den rechten Rand gesetzt hat.

Die Entfernung verstärkt aber einen Gesamteindruck. Es sind Bürgersleute abgebildet, die als Individuen mit eigenem Motiv zur Fontäne gekommen sind. Individuell motivierte Handlungen abzubilden und zudem mit dieser Dynamik im Habitus ist in der Tradition der Bildrhetorik der Zeit ungewöhnlich.

Um diese Aussage genauer zu untersuchen und zu prüfen lohnt es sich, eine weitere Grafik von A. H. Payne anzuschauen, einen Stahlstich von 1850 mit dem Titel: Die Teufelsbrücke - Wilhelmshöhe bei Cassel, unterschrieben mit A. H. Payne, del und I. Haewood, sc.
Zur tiefen Bildbeschreibung dazu hier unter dem Titel "Eine ungehörige Szenerie".
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3. Zur Rezeption der Wasserkünste

Auf dem Stich sind Personen abgebildet, die sich als Paare oder in einer Grupppe vor der Großen Fontäne eingefunden haben. Nur einige Personen schauen zum Wasserstrahl hin, andere sind eher auf Unterhaltung aus.

Die auf der Grafik von 1850 versammelte Gesellschaft drückt weder im Habitus der einzelnen Personen noch in der Figuration, also in der Art, wie diese gruppiert sind, das von Park-Besuchern erwartete und erwünschte Verhalten aus, nämlich ehrfürchtig und bewundernd hinzuschauen, um die Wasserkunst angemessen zu bestaunen.