Julio Bernhard von Rohr
Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der Privat-Person, 1728
Stichwort: Promenade, Seite 512 ff
§. 38. Die Promenaden ſind eine unſchuldige
und doch ſehr anmuthige Ergoͤtzlichkeit; Am ver-
nuͤnfftigſten iſts, wenn man ſie ſo einrichtet, daß
Nutzen und Luſt zugleich mit einander vereiniget
wird. Doch dieſes geſchiehet am allerſeltzamſten
und von den wenigſten. Vielmahls werden ſie
zu einem bloſſen Ceremoniel, und ſind mit gar
wenig Plaiſir vergeſellſchafftet, als die gewoͤhnli-
chen Promenaden en Caroſſes, da ſie in groſſen
Staͤdten an einem gewiſſen Ort faſt taͤglich den
gantzen Sommer durch eine Tour a la Mode thun,
und gar wenig Veraͤnderung dabey empfinden.
§. 39. Sind die Promenaden en Caroſſe nach
dem Cours gerichtet, ſo muß man ſich im gruͤßen
nach demjenigen richten, was die Obſervanz an
einem jeden Ort eingefuͤhrt, damit man wider die
Mode nicht etwan allzuviel Hoͤflichkeit bezeuge, und
ſich dadurch dem Gelaͤchter unterwerffe. Die
ſich kennen, pflegen ſich gemeiniglich das erſte mahl
zu gruͤßen, wenn ſie einander begegnen, nachge-
hends aber nicht mehr, ſo muß man auch Acht ha-
ben, ob es erlaubt ſey, mit einer Dame en Caroſſe
zu fahren/ oder ob jedes Geſchlecht ſich ins be-
ſondere promeniren.