Die Stadt öffnet sich zur Landschaft. Um 1850 beginnen die Bürger die in den Gärten und Parks vorgesehenen Spazierwege zu verlassen, sie entdecken die Umgebung und vereinnahmen sie.
Das leitet einen Beutungswandel des Spazierengehens ein.
Der historische Hintergrund: Kassel ist eine Residenz mit starken Befestigungswerken.
Friedrich II. lässt ab 1767 diese Anlagen schleifen. Die Stadt dehnt sich in die Umgebung aus.
Regnerus Engelhard beschreibt 1778 die Situation als Zeitzeuge:
"Der dadurch entstandene große Raum wurde teils zur Anlegung neuer Straßen,
oder ... einstweilen zu Gärten, die mit bretternen Wänden eingeschlossen wurden, zu schönen mit Bäumen besetzten Spaziergängen, und anderen wohl eingerichteten Plätzen verwendet, und mit gerade durchlaufenden Wegen durchschnitten."
Der Friedrichsplatz wird zur gestalteten Anlage und zum
gesellschaftlichen Zentrum.
Der
Stahlstich von 1850 zeigt, wie Personen aus dem Bürgertum hier den öffentlichen Raum als Bühne nutzen - durchaus auch um gesellschaftliche Ansprüche geltend zu machen.
Spazierengehen, Flanieren, Promenieren wird für die "besseren" Schichten zur Gelegenheit, sich darzustellen.
Die Radierung hier links ist Teil eines
Souvenirblattes mit 11 Bildstücken, abgedruckt in der Illustrirten Welt 1895. In die
"Ansicht von Kassel" sind Spaziergänger nicht als Vertreter einer Gesellschaftsschicht eingezeichnet, sondern als Personen, die sich der Stadt zuwenden, auf breiten Wegen, einige sogar auf Grünflächen. Die Botschaft: Alle Stadtbürger haben die Umgebung und die Landschaft für sich entdeckt.